Montag, 22. April 2013

Brief von Herrn Dr. Klaus Krosigk an die Stadt


Beabsichtigter Neubau für die Weiße Flotte im Lustgarten/ Potsdam
vom Präsident: der Deutschen Gesellschaft für Gartenkubst und Landschaftskultur e.V.
Dr. Klaus von Krosigk

Sehr geehrter Herr Beigeordneter,
lieber Herr Klipp,
heute ist es an mir, mich für Ihren ausgesprochen langen und für mich doch auch sehr informativen Brief in Angelegenheiten Potsdamer Lustgarten zu bedanken. 

Auch mir ist klar, dass das hier in Rede stehende Problem durchaus vielschichtig ist und die Politik verständlicherweise Rücksicht auf mancherlei Entwicklung nehmen muss, die dem „normalen Bürger“ erst einmal nicht einsichtig sind. Ich denke im übrigen, dass es auch in Potsdam nicht anders ist, wie in mancher anderen vergleichbaren Kommune, das heißt, dass man in zwanzig Jahren Entwicklung seit der Wende Entscheidungen getroffen hat, die seinerzeit sehr vernünftig klangen, inzwischen aber auf den Prüfstand gestellt werden müssen, von denen man allerdings heute nur noch unter großen Problemen wieder weg kommt.
Dennoch, da auch ich mich einem großen Kreis von Fachleuten und interessierten Denkmalpflegern sowie Garten –und Landschaftsarchitekten, aber auch Stadtplanern innerhalb meiner DGGL antwortpflichtig fühle, heute nicht nur mein Dank für Ihre Beantwortungsmühen, sondern damit verbunden, doch auch noch einmal einige konkrete Nachfragen und Anregungen.
Eingangs lassen Sie mich festhalten, dass die Deutsche Gesellschaft für Gartenkunst und Landschaftskultur (DGGL) keineswegs nur gartenhistorisch-gartendenkmalpflegerisch interessiert ist, sondern sie sich traditionell auch und gerade für moderne Gartenkunst einsetzt, das heißt im Potsdamer Lustgarten-Ensemble verbindet sich der gute neue Entwurf der Kollegen Dietz Joppien mit erhaltenswerten Elementen aus der Geschichte. Insofern kann vernachlässigt werden, dass der Garten kein Denkmal ist. Es geht uns vor allem um den Schutz der Gartenkunst an sich vor Bebauungs- und ganz offensichtlichen Vermarktungswünschen.
Die DGGL hat auch nichts gegen Ausflugsdampfer, im Gegenteil, dies ist ein absolut legitimes Freizeitvergnügen vieler Bürger, dem auch ich mich gerne anschließe! Es befremdet allerdings, dass nur die Schiffe der Weißen Flotte Potsdam im Lustgarten anlegen dürfen und andere, etwa aus Berlin, nicht. In Ihrem eingehenden Antwortschreiben versuchen Sie den Eindruck zu erwecken, der von der Weißen Flotte gewünschte Bau wäre für den Betrieb ihrer Schiffe notwendig, was ich überhaupt nicht verstehe, denn dazu bedürfte es ja wohl nur eines kleinen Verkaufspavillons, wie ihn z.B. die Weißen Flotten in Düsseldorf, Heidelberg, Dresden oder anderswo haben. Dass die Weiße Flotte darüber hinaus ihre Büroräume im Lustgarten haben will, empfinden wir ebenso als Zumutung wie Ihren Wunsch, ein Restaurantgebäude für eine Firma dort zu bauen, die zwar zufälligerweise denselben Eigentümer hat, aber keine Voraussetzung für den Betrieb der Weißen Flotte ist. Das von Ihnen erwähnte Zelt dient nicht einmal teilweise der Schifffahrts-, sondern doch wohl ausschließlich der Gastronomiefirma. Die Belange der Schifffahrt werden in dem derzeitigen neuen Hafengebäude von Dietz Joppien erfüllt, welches als Anbau am Hotel zusammen mit diesem zu 100%iger Sicherheit noch mindestens 10 Jahre stehen wird. Ein umfangreiches Gastronomieangebot besteht darüber hinaus noch längere Zeit im Hotel Mercure.
Soweit ich weiß, hat die Stadt das Grundstück mit dem störenden Hotel, vormals „Eigentum des Volkes“, selbst privatisiert anstatt es an SPSG zurück zu übertragen. Sie wäre daher m.E. auch in der Pflicht, diesen gravierenden Fehler dann auch selbst zu korrigieren. Sie eröffnen indes bisher leider keinerlei Perspektive, wie sie das Hotel entfernen wollen, ein Hotel, das Sie ja auch selber an dieser empfindlichen Stelle als äußerst störend empfinden. Derzeit kann ich aber keinerlei Handlungsbedarf erkennen, ein vom Hotel abgekoppeltes Hafengebäude, noch weniger ein Restaurant mit Büroräumen im Lustgarten zu errichten. Es wäre für mich interessant, zu erfahren, warum Sie trotzdem eine "Erweiterung der Gastronomiefläche" als erforderlich, oder in öffentlichem Interesse liegend betrachten.
Vom Neptunbecken fehlt zur Zeit nicht nur, wie Sie angeben, im Norden ein Teil. Es fehlen im Norden vielmehr, ca. 10,5 m und im Osten ca. 5,50 m. Damit die Neptungruppe wieder symmetrisch im Becken steht und vor Übergriffen besser geschützt ist, ist die Wiederherstellung des Ufers im Norden und Osten zwingend erforderlich. Durch das geplante Gebäude soll das Ostufer des Beckens dagegen überbaut werden!
Die von Ihnen erwähnten, bei der Neugestaltung des Lustgartens gepflanzten Pyramideneichen (16 Stück auf der Ostseite) sind wesentlicher Bestandteil desselben. Ich verstehe nicht, wie Sie die Entfernung von 8 Pyramiden-Eichen für das Restaurant rechtfertigen? Eine behauptete abschottende Baumreihe am Wasser war nie vorhanden. Die Lindenreihe am Ufer östlich des Beckens diente der Beschattung des Spazierganges. Da die Augen der Spaziergänger sich gewöhnlich in einer Höhe von ca. 1,60 m befinden, hatten die Kronen keinerlei abschottende Wirkung zur Havel wie das geplante Gebäude, selbst wenn es Glasfassaden erhält. Die 1970 hier aufgestellte Kolonnade wurde zur Buga 2001 stabilisiert. Mir ist nicht bekannt, inwieweit sie akut gefährdet ist und Anlass zu einer "Notsicherung" besteht. Würden Sie das bitte genauer erläutern? Wie möchten Sie ein dauerhaftes Verschwinden der Kolonnade  aus dem Stadtbild verhindern, wenn Sie  "Abtransport und Einlagerung" durch die Weiße Flotte anstreben, aber keine Mittel zur Neuaufstellung am historischen Standort haben? Weiter wäre es aufschlussreich, von Ihnen zu erfahren, wie die Weiße Flotte ein solches Großbauwerk mit Pfahlgründung auf Schwemmsand und komplett neu zu legender öffentlicher Erschließung und dazu noch den denkmalgerechten Abbau und die Einlagerung der Kolonnade überhaupt finanzieren will. Nach meiner Einschätzung wären hierzu Millionensummen erforderlich, die durch ein weiteres Potsdamer Restaurant unter vielen schwerlich wieder eingespielt werden können.
Der Standort des geplanten Restaurant- und Bürogebäudes befindet sich im übrigen nicht, wie Sie behaupten, "soweit als möglich im Süden." Er befindet sich vielmehr mit dem südlichen Flügel zu nah am Becken und mit dem östlichen Flügel teils im alten Beckengrundriss, teils auf dem Standort der Eichen. Der Gegenentwurf von Dietz Joppien hat gezeigt, wo ein Gebäude mit dem gleichen Raumangebot stehen müsste, wenn es "soweit als möglich im Süden" läge. Nach den mir vorliegenden Informationen wurde dieser Entwurf von Ihnen wie von der Weißen Flotte kategorisch zurückgewiesen. 
Alles in allem, sehr geehrter Herr Klipp, sprechen die vielen noch offenen Fragen, die ich hier lediglich auszugsweise formuliert habe, vor allem aber die absolut inakzeptable Errichtung eines Büro- und Gastronomiebetriebes zugunsten der Weißen Flotte auf dem Gelände des Lustgartens dafür, noch einmal alle bisherigen Entscheidungen auf den Prüfstand zu stellen und nach Lösungen zu suchen, die der Stadt Potsdam ein kostbares städtebaulich-gartenhistorisches Juwel, ohne zerstörerische und banale Einbauten, zurück gibt.
Gerade wenn man an den auch aus meiner Sicht zwingend notwendigen Abriss des Hotel Mercure denkt, heißt das doch, dass man hier in langen Zeiträumen denken muss, und es darum gehen müsste in einem kurz-, mittel- und langfristigen städtebaulichen Konzept dieses Ziel zu verfolgen.
In der Hoffnung für diesen angemahnten Denkprozess einen kleine Beitrag geleistet zu haben, bin ich mit freundlichen Grüßen stets
Ihr
Dr. Ing. Klaus-Henning von Krosigk